von Norman
Samstag, 16. August 2025. Die heißen Temperaturen der Vortage waren wie von Zauberhand verschwunden und ein angenehm frischer Luftzug lud in Czäczines Garten, an eine lange Tafel. Doch nicht das Wetter allein war Grund des fröhlichen Beisammenseins. Es wurde der Aufstieg in die 1. Frauenbundesliga gefeiert.
Mit Eis und Kuchen und Melone am Nachmittag und allerlei vom Grill und Salaten und selbstgebackenem Brot am Abend. Dazu Badminton, Wikingerschach, Dart, Frisbee, Pool (ohne Billard, dafür mit Wasser), Werwolf im Schein nächtlich wärmenden Feuers… Ja, so ließen es sich etwa 20, überwiegend weibliche Schachspieler gut gehen. Und zwar absolut verdient.
Damit aber nicht genug. Hoher Besuch aus Berlin war eingetroffen: Thomas Weischede, Vorsitzender der Emanuel Lasker Gesellschaft (ELG), und – Trommelwirbel – Elisabeth Pähtz. Da saß nun also die beste deutsche Schachspielerin aller bisher gewesenen Zeiten am gleichen Tisch wie der weibliche CSC-Nachwuchs, beantwortete Fragen, gab Tipps zur anstehenden Bundesligasaison und war einfach eine angenehme Gesprächspartnerin.
Bevor jetzt jeder auf die Idee kommt bei GM xy für die nächste Gartenparty anzufragen – Grund des Besuchs war natürlich das am Sonntag anstehende Simultan. Mittels gelenkten Zufalls (Kulturhauptstadt!) hatten Anne und Thomas im Vorfeld Kontakt geknüpft. Es entstanden schnell Ideen für gemeinsame Projekte.
Mindmap:
30-Jahrfeier CSC, Aufstieg in die 1. Frauenbundesliga, Deutscher Meistertitel in der u16 w, Kulturhauptstadt Chemnitz und die Zielsetzung der ELG, das Schach als Kultur- und Bildungsgut zu fördern.
Ergebnis:
Ein Simultan an 30 Brettern mit starker weiblicher Beteiligung (wohl aller nuancierter Kultur zuträglich). Mit GM Elisabeth Pähtz als Prüfstein und international bekannter „Schachkünstlerin“.
Außerdem wird es erstmals im Jahr 2026 den Chemnitzer Schach Cup – Schwarz-weiß und bunt geben (abgekürzt CSC 🙂 ), bei dem Frauenmannschaften aus verschiedenen Städten Europas gegeneinander antreten.
An dieser Stelle möchte ich der ELG und besonders Thomas Weischede riesig danken. Danke für die finanzielle Unterstützung, für die Ideen, für die Mitorganisation und für den persönlichen Einsatz. Share the values of chess with us, das Motto der ELG, konnten wir im besten Sinne miterleben. Inspirierend und einfach toll.
Zurück zum Simultan. Veranstaltungsort war die echt coole Location Kraftverkehr an der Fraunhoferstraße. Das Team um Geschäftsführer Thomas Waldheim war sehr freundlich und erfüllte uns jeden Wunsch. Tolle Atmosphäre.
Es wurde fleißig aufgebaut, der Lasker-Table repräsentativ platziert, diverse Banner und Demobretter aufgestellt und (leider etwas weniger augenfällig als erhofft) Schachwegweiser befestigt. Schon kamen die ersten Herausforderer, Elisabeth Pähtz traf ein, der Saal füllte sich. Auch Zuschauer und interessierte Eltern sahen sich um.
Thomas Weischede sprach einleitende Worte, stellte den Chemnitzer Schach Cup – Schwarz-weiß und bunt vor und erwähnte, dass der Chemnitzer Doppelweltmeister im Kugelstoßen, David Storl, anwesend sei. Und zwar als Betreuer seines 8-jährigen Sohnes Jaroh, der beim Simultan antrat. Wow.
Es übernahm Roger Rabenhold, Leiter des Sportamts Chemnitz. Er begrüßte nicht nur die Teilnehmer in der Sportstadt Chemnitz, sondern interessierte sich auch für das schachliche Geschehen. Wirklich schön, dass Roger Rabenhold sich später nach dem Besuch einer weiteren Veranstaltung die Zeit nahm, zum Simultan zurückzukehren und die letzten Partien zu verfolgen. Aber Simultan ist ja auch eine faszinierende Sache. Einer, ober besser eine gegen so viele gleichzeitig…
Und damit sind wir endlich beim Geschehen auf den Bretter angekommen. Vorweg sei gesagt: Einmal mehr bewahrheitete sich, dass gegen einen GM vielleicht mal ein Remis drin ist. Aber besiegen lassen sich diese Titelträger nur sehr, sehr ungern. Und sonntags schon gar nicht.
Dafür schafften es einige Spieler den Punkt zu teilen. Geradezu sensationell das Remis von Lukas Richter aus Burgstädt. Mit deutlich über 1000 Punkten weniger DWZ. Eigentlich hatte Elisabeth ein sehr gutes Endspiel, mit starkem Läufer gegen Springer. Aber plötzlich war etwas schief gelaufen. Sie stand vor dem Brett, dachte nach, zog den einzig noch beweglichen Bauern vor. Die Stellung war völlig geschlossen, Weiß nahezu im Zugzwang. Die Großmeisterin ging weiter, blickte zurück, hielt inne: „Ich biete remis.“ Und schneller als dieser Halbsatz zu lesen ist, kam die Antwort: „Das nehme ich!“ Ich würde Euch natürlich die Schlussstellung präsentieren, wenn ich sie mir gemerkt hätte. Vielleicht waren da für den trickreichen Springer sogar zwei halbe Punkte drin?
Bärenstark auch die Remis der Nachwuchsspieler Henrik Siegel (Niederwiesa, DWZ 1502), Toni Lutz (Markneukirchen, Elo 1675) und Erik Dotschuweit (Aue, Elo 1707). Mit welcher taktischen List hier teilweise agiert wurde, zeigt das folgende Beispiel.
Mit noch mehr Taktik holte Rene Kindt das zweite Remis für Niederwiesa.
Nun ist es aber natürlich nicht so, dass man einfach nur etwas verwickeln musste und schon das Remis eingetütet hatte. Meistens behielt eben doch die Großmeisterin Recht.
Ruhm, in Form eines Remis, also sozusagen halber Ruhm, wurde noch Hryhoriy Kruts (Eiche, Elo 1980) zu teil. Auch unser CSC-Sachsenligaspieler Ruslan Nurijew erzielte ein Remis. Hätte er mit seiner Spielstärke von weit über Elo 2100 vielleicht mehr versuchen können?
Jedenfalls sind wir damit bei unseren CSC-Kämpfern und natürlich CSC-Kämpferinnen angekommen. Und hier glänzte Familie Brand in großmeisterlich ebenbürtiger Genialität.
Doch zunächst gab Danny mal spontan eine Leichtfigur vor.
Hmm…, so früh schon aufgeben? Danny zögerte die Sache hinaus. Irgendwas zwischen mangelndem Respekt und Verzweiflung. Und plötzlich eroberte er die Figur mittels Mattdrohung zurück. Was ist denn hier los? Die Partie bog ins Turmendspiel ein. Eigentlich Vorteil für Weiß. Aber halt Turmendspiel. Kompliziert, taktisch… Elisabeth zog. Bot remis. Danny zitterte vor Aufregung und nahm an. Der letzte Zug hatte die Stellungsbewertung auf -2 schnellen lassen.
Auch bei Volkmar sah es zwischendurch höchst verdächtig aus. Aber unser Altmeister hielt den Laden zusammen. Auch hier erschien ein Turmendspiel. Nur sah dieses ziemlich remis aus. Symmetrie aller orten. Kein Ansatz für nichts. Der nächste halbe Punkt für Familie Brand.
Und Kathrin? Ich habe von ihrer Partie wenig mitbekommen. Weiß war am Königsflügel vorgelaufen. Bauernsturm!? Aber schließlich blieben von diesem Sturm nur noch Streusel übrig. Und Kathrin hatte zwei Streusel mehr. Die Stellung war nicht leicht, weil Elisabeth Pähtz mit Dame und Springer noch etwas Spiel gegen den schwarzen König hatte. Okay, dann lieber ein Remishattrick. Spatz in der Hand oder so. Trotzdem: Stark! Sozusagen brandgefährlich für die Friedenspfeife.
Bleibt unsere weibliche Jugend.
Leider konnte nur Marie (Elo 1693) der großmeisterlichen Herausforderung Stand halten. Remis im…, na wer kann’s erraten? Richtig, im Turmendspiel.
Alex, Annabel, Bea und Laura gingen mehr oder weniger schon in der Eröffnung unter. Hier gab es auch keine dannyesken Zauberkunststücke. Auch Lauras Bauerngewinn vermochte an der positionellen Verluststellung nicht zu rütteln.
Blieb Paula. Und da sah es zunächst richtig gut aus.
Paula war vielleicht die einzige von 30, die nicht zitterte, die remis ablehnte, die sich die Taube auf dem Dach ernsthaft zutraute. Doch es klappte nicht. Und das kam so.
Ein Remis durch einfaches Abwarten war Paula nicht zu nehmen. Doch sie drückte b4 durch und riss erbarmungslos den Damenflügel auf. Weil das nicht reichte, ging‘s danach nahezu selbstmörderisch am Königsflügel weiter. Das führte zu einer großmeisterlichen Gewinnstellung und – viel Taktik – zu einem großmeisterlichen Fingerfehler. Wieder Ausgleich. Zugwiederholung? Nicht mit Paula, deren König nach h6 ging um höchstselbst das Eindringen der weißen Dame zu verhindern. Nochmal wurde Zugwiederholung angeboten. Aber Paulas Bauer zog lieber nach c2 vor. Einen Schritt noch…
Zu viel gewollt? Vielleicht. Andererseits: Nur wer hingefallen ist, kann sich wieder aufrappeln. Was bleibt, ist auf jeden Fall ein 50-zügiges Abenteuer. Sozusagen das Maximalerlebnis.
Obwohl…, eine Partie lief noch. Sven Hahlbeck stemmte sich in einem Turmendspiel (!) gegen die Niederlage. Es half nichts. Nach ungefähr fünf Stunden harter Gegenwehr gratulierte er der verdienten Siegerin.
Elisabeth Pähtz hatte 24½ von 30 Punkten geholt. Über 80% gegen teilweise veritable Gegner. Keine Niederlage. Eine ganz starke Leistung. Eben wie ein Profi.
Eine kleine Fotogalerie soll diesen Bericht über eine ganz tolle Simultanveranstaltung abrunden. Es war wirklich schön. Und deshalb: Nutzt die Chemnitzer Schachangebote im Kulturhautstadtjahr. Schon am 23.08. ist wieder jeder eingeladen, zum Straßenschach auf dem Rosenhof. Wenn meine Infos stimmen, gibt’s dort neben Schach auch Bogenschießen, Hüpfburg, Zinngießen, Seifenblasenkunst, Kinderschminken, Fußball, Tanzen und mehr. Nur ein Großmeister ist nicht angekündigt. 🙂

Kommentierung für die Zuschauer – Französisch-Experten werden sofort bemerken, dass etwas mit den Springern nicht stimmt

gute Laune nach geschlagener Schlacht – Woman-Power umrahmt von Roger Rabenhold, Thomas Weischede und dem Lasker-Table