von Norman
Was gibt es besseres, als inmitten der Winterferien ein schönes Schachturnier zu spielen? Okay, diese rhetorische Frage ergibt eigentlich nur Sinn, wenn sie an Schachfans gerichtet wird. Und auch nur, wenn die Schachfans nicht zugleich Wintersportfans sind. Dann aber passt sie.
So zog es zehn Schachbegeisterte voller Vorfreude ins beschauliche Leutersdorf: Anne, Antonin, Charlie, Johann, Laura, Marek, Marie (unsere Gastspielerin und DVM-Heldin vom TSV Kitzscher), Martin, Mika und Paula. Tja, und das außerordentlich erfolgreich. Antonin und Johann rockten das Miniopen (für DWZ unter 1000). Der Rest wirbelte im 26. Open der Sparkasse Oberlausitz – Niederschlesien.
Familienmitglieder, ein hoch motivierter Trainer und sogar ein junger verspielter Hund namens Tillmann waren zur Unterstützung vor Ort. Das musste ja toll werden.
Offenbar gibt’s bei Laura was zu sehen. Im Hintergrund sind Anne, Antonin, Johann und Paula zu entdecken. (Foto Stefan Binner, Homepage Ausrichter SC Oberland)
Übersicht der Erfolge
Endstand Miniopen: https://www.scoberland.de/empty-pagef3fa510f
Endstand Open: https://www.scoberland.de/teilnehmer-26-miniopen-des-oberkretscham und
https://chess-results.com/tnr1120157.aspx?lan=0&art=4.
Anne holte erneut den Turniersieg (5½ aus 7). Titelverteidigung! Bärenstark. Alle Partien an Brett 1, keine Niederlage, Elo-Performance 2257. Am Ende musste die Wertung entscheiden. Und da hatte Anne auch das notwendige Glück, welches man sich als Nr. 1 der Setzliste verdient hat, wenn im Laufe des Turniers Nr. 2 bis 6 abgearbeitet werden.
Grund zur Freude – back to back Opensiegerin
Im Miniopen gab letztlich auch die Wertung den Ausschlag… für Antonin!! Fantastisch! Doppelsieg. Auch Antonin war immer auf der Bühne zu finden. Und er strengte sich richtig an. Gegner beachten, prüfen, nicht impulsiv ziehen. Es war auch ein Kampf gegen sich selbst, gegen den kleinen, den quirligen, den umhertobenden Antonin. Er schaffte es nicht, auf seinem Stuhl sitzen zu bleiben. Aber er schaffte es nachzudenken, mal stehend, mal kniend und manchmal auch sitzend.
Charlie ist da schon weiter. Aber wie würde er sich mit nur wenig mehr als 1100 DWZ bei den Großen schlagen? Allein mit Motivation und Wettkampfbereitschaft lassen sich mehrere 100 DZW-Punkte Spielstärkeunterschied nicht überbrücken. Und doch, nach vier Niederlagen kam der große Moment. Ein sauber herausgespielter Sieg gegen einen Erwachsenen. Ganz großes Lob! Charlie wird in nächster Zeit weitere Turniere spielen. Wir dürfen gespannt sein, wohin die Reise geht.
Kleines Gruppenbild mit Charlie, der in der letzten Runde kampflos gewann und früher abreiste
Noch ohne DWZ durfte Johann im Miniopen auf Punktejagd gehen. Das lief auch richtig gut, bis in Runde 3 der Dämpfer gegen Antonin kam. Ob ihn Antonins unruhige Art gestört habe, fragte ich. Nein, seine Stellung habe ihn gestört. Ein Schachspieler eben. In Runde 8 wurde eine klare Gewinnstellung schrittweise zum Verlust geführt. Doch in Runde 9 kämpfte Johann bis zum Umfallen. Der gegnerische Angriff war gewinnbringend. Aber Johann hielt stand. Das Endspiel war remis. Aber Johann versuchte es weiter. Alle Partien des Miniopens waren längst beendet. Aber Johann kämpfte. Und holte den entscheidenden Sieg. Punktgleich mit Antonin (7 aus 9), nach Wertung Platz 3.
50% Treppchenanteil für Aufbau
Bei Laura ging es weniger um eine Platzierung ganz vorn. In Runde 2 musste sie gegen Anne antreten. Brett 1. Aber Freude sieht anders aus. Danach lief es ergebnistechnisch eher mäßig (4 aus 7). Doch Laura wäre nicht Laura, wenn sie nicht noch etwas Spektakuläres auspacken würde. Letzte Runde. Seht euch unbedingt das Diagramm weiter unten an (ja, bitte auch den Schachteil angucken)! Unfassbar. Adrenalin für einen ganzen Monat. Und ein so enorm wichtiger Punkt. Sonst wäre Anne nach Wertung nämlich nur Platz 2 geblieben.
Denn Marek drehte in seiner letzten Partie ebenfalls auf und fertigte Annes Gegner aus der ersten Runde in unter 20 Züge ab. Wen interessieren schon fast 400 DWZ-Punkte weniger. Einfach zerlegt. Natürlich werde ich das nächste Mal vor der Partie mit Marek reden und ihm klarmachen, dass er mehr Respekt vor starken Spielern haben und auch nicht so ohne weiteres die Buchholzwertung von gut platzierten Vereinsmitgliedern beschädigen sollte. Mit 3 aus 7 wurde Marek dritter in der u1500-DWZ-Kategorie.
Ein starkes Turnier spielte Marie. In Runde 1 hätte sie gegen die Nr. 2 der Setzliste gewinnen können. Erst überlistete Marie taktisch den Gegner, dann leider sich selbst. Dafür zeigte Marie in Runde 4 ihre gefürchteten Endspielfähigkeiten (was den Gegner spürbar verbitterte) und holte in Runde 5 ein Remis gegen einen Spieler mit Elo 2005. Dass dann bei 3½ Punkten Schluss war, lag auch an der Paarung: letzte Runde gegen eine gut aufgelegte Paula. Es bleiben 35 Elo-Punkte Zugewinn und Platz 22, was als Schnapszahlplatzierung mit einem Sachpreis prämiert wurde.
Und solch einen Sachpreis holte sich auch Martin: Platz 33 (3 aus 7, Platz 2 in der Kategorie u1500 DWZ). Vielleicht war vom spielerischen Können her gesehen mehr drin. Aber wahrscheinlich ging es Martin nur darum, sich Marek in der Schlusstabelle direkt vor die Nase zu setzen. Den großen Sohn nochmal zurechtweisen, vielleicht zum letzten Mal.
Längst vorbei ist diese Chance in Bezug auf unser hoffnungsvolles u12-Talent Mika. Besagter Jungspund knetete in Runde 1 einen 2000er nieder und gewann in Runde 7 nochmal gegen eine 1800. Zwischendurch wurde im Bruderduell Marek gezeigt, wer wirklich der Größere ist. Am Ende standen 4 aus 7, Platz 3 in der u1700-DWZ-Kategorie und eine Elo-Performance von 1930. Na wenn das nicht beeindruckend ist…
Am ehesten hätte Paula die Möglichkeit gehabt, Mika den Titel Toptalent des Turniers abzujagen. Denn in Runde 3 stand sie gegen den späteren Zweitplatzierten auf Gewinn. Und in Runde 6 spielte sie an Brett 2 die längste Partie des Turniers und hätte, durch ihre sehr zähe Verteidigung in Verluststellung, vielleicht kurz vor dem Ende noch zum Remis abbiegen können. Außer einem Unfall in Runde 4 (Figureneinsteller) wurde starkes Schach gespielt, besonders in den Runden 5 und 7. Mit 4½ aus 7 sicherte sich Paula Platz 8 und den Sieg in der Kategorie u1900 DWZ. Besonders loben möchte ich die abgelehnten Remisangebote in Runde 3 (gegen Elo 2089) und in Runde 4 (in Verluststellung). Das ist der Weg, der einen nach vorn bringt: Schach spielen!
Glückliche Gesichter: 7½ Punkte in der letzten Runde
Drumherum
Das Open lockte dieses Jahr recht wenig Spieler an. Von 46 Teilnehmern stellte unsere Reisegruppe gut 17%. Dadurch kam es leider oft zu internen Paarungen. Auch im Miniopen (30 Teilnehmer) gab’s eine Vereinspaarung. Die aber war unvermeidlich.
Topduell im Miniopen – Runde 3, Brett 1
Glücklich machte mich, wie unsere Spielerinnen und Spieler agierten. Nämlich absolut motiviert, spielfreudig und risikobereit. Anne musste drei Partien remis geben. Und verbuchte damit ein Remis mehr, als alle anderen zusammen. Denn nur Paula (in Verluststellung) und Marie (unausweichliche Zugwiederholung) machten einmal keine Nägel mit Köpfen. Dafür aber wurden serienweise Friedensangebote abgelehnt. Natürlich war es meine Vorgabe alles auszukämpfen. Aber dass das so gut klappt…
Auch sonst präsentierten wir uns prächtig. In der vorletzten Runde saßen wir in beiden Turnieren an Brett 1 und 2. Im Miniopen gehörten uns meistens die letzte, manchmal die letzten beiden Partien. Und auch im Hauptturnier waren mindestens 4 längste Partien unsere. Anne – ich glaube zweimal –, Marie und Paula trugen sich in die Liste der zähesten Kämpfer ein. Gleich in Runde 1 hatten Marek und Mika ein Zeichen gesetzt: die letzten zwei noch laufenden Partien. Und eine sehr späte Auslosung der Nachmittagsrunde. Wie gesagt: Es wurde richtig gekämpft.
Nach den Partien, wenn sie nicht mal wieder ewig dauerten, wurde rege mit mir analysiert. Dabei fiel mir auf, dass sehr gern die Gewinnpartien besprochen wurden, bei Misserfolgen die Analysebereitschaft aber deutlich weniger ausgeprägt war. Das ist natürlich verständlich. Aber ebenso natürlich nicht richtig. Ja es ist hart, doch Verlustpartien sind einfach lehrreicher.
Mir fällt gerade auf, dass sich unter der Überschrift „Drumherum“ doch wieder nur Schachliches angesammelt hat. Aber damit ist jetzt Schluss.
Wir hatten drei Ferienhäuser. Familie Zielke wohnte etwas entfernt. Keine Ahnung, wann sie noch die Zeit fanden, ins Schmetterlingshaus zu gehen und halsbrecherische Klettertouren zu unternehmen. Zu Rundenbeginn waren sie immer pünktlich da. Schön fand ich, dass Anja den ruhigen Gegenpol zu Antonin bildete. Und natürlich, dass mir ein Eis spendiert wurde.
Zwei hoffnungsvolle Talente am Abgrund
Am ersten Spieltag hatte ich mit Antonin gewettet: Er werde es nicht schaffen unter 40 Minuten Restbedenkzeit zu kommen (mit 1:15 ging’s los). Falls doch, dürfe er sich etwas Angemessenes wünschen. Andernfalls ich. Antonin gewann Partie und Wette. Pralinen! Gar nicht so einfach, zwei Schachteln ohne Alkohol zu finden. Antonin entschied sich für das Meereskonfekt – war 50 g schwerer.
Charlies Familie hatte sich ebenfalls in Autoreichweite einquartiert. Eltern, Schwester und Hund nutzten die schöne Oberlausitzer Winterlandschaft für Urlaubsspaziergänge. Charlie ging zwischen den Runden mit den Mädchen zum dritten Ferienhaus.
Wir hatten wieder das fußläufig entfernte urige Umgebindehaus in Beschlag genommen. Mit Ofenheizung. Und diesmal waren wirklich winterliche Temperaturen. Zum Glück hatte ich noch Übung vom letzten Jahr und konnte in allen drei Öfen auch nachts die Glut am Glühen halten oder wie man so sagt. Im Wohnzimmer war’s richtig gemütlich warm.
Ganz wichtig: Nachwuchs in die Geheimnisse des Ofenheizens einweihen
Laura legt nach
Eine besondere Erwähnung verdienen unsere abendlichen Mahlzeiten. Während ich noch am Turnierort rumanalysierte, bereiteten Johann und die Mädchen schon allerlei Zutaten für leckere Wraps vor. Beim dritten großen Wrap merkte ich, dass der Magen auch bei leckerem Essen nicht an Volumen gewinnt. Trotzdem passte der noch rein. Und danach nahm ich mir vor, nächstes Mal den Mund etwas weniger voll zu nehmen. Wird aber ziemlich sicher nicht klappen.
Es ist angerichtet
Am nächsten Tag wurde der Eierkuchenteig deutlich zu flüssig. Nochmal schnell in den Supermarkt rennen und Mehl nachkaufen? Ach was. Der ganze Teig wurde in die Pfanne gekippt und dann zu einem entfernt kaiserschmarrnähnlichen Produkt verarbeitet, der sogenannten Oberlausitzer Pampe. Die schmeckte tatsächlich lecker und wurde bis auf den letzten Krümel aufgefuttert.
Klatsch, ein Haufen Oberlausitzer Pampe landet auf dem Teller
Schachliche Highlights
Ja ich weiß, der Bericht ist schon wieder zu lang. Egal, auf die schachlichen Highlights kann ich nicht verzichten.
Zunächst die schon angekündigte Adrenalinbombe.
Aber Laura war nicht die Einzige, die Powerschach spielte. Seht Euch Paulas Stellungen an.
Und wie das dann aussieht, wenn man so etwas gelernt hat, zeigte Paula auch, leider gegen Marie.
Doch auch Marie war ganz dicht dran, in Runde 1 gegen die Nr. zwei der Setzliste. Leider war am Ende die Zeit zu knapp. Vielleicht auch noch nicht richtig warm gespielt.
Dafür gelang in Runde 4 ein schöner Endspielsieg gegen einen Spieler mit fast 1900 Elo.
Endspielkönnen ließ sich auch bei Anne beobachten. Sie rächte nicht nur Maries Erstrundenniederlage und hielt damit einen wichtigen Konkurrenten auf Abstand, sondern schuf dabei auch noch ein Lehrbeispiel.
Jetzt sind aber endlich die Jungs dran. Mit welcher Finesse Mika bereits agiert, war in der Schlussrunde wunderbar zu beobachten.
Bereits in Runde 1 hatte Mika geglänzt, als er einen 2000er zur Aufgabe zwang. Hier wie dort half ihm seine enorme Zähigkeit, denn er stand in beiden Partien zwischendurch sehr schlecht.
Wir wechseln ins Miniopen und sehen uns zwei Momente an, die erahnen lassen, wie die Zukunft aussehen könnte. Und warum sie noch nicht da ist.
Und jetzt vom Miniopen zum Mini im Open. Charlies Glanztat aus Runde 5 darf natürlich nicht fehlen.
Zum Abschluss noch Schnappschüsse zweier Caro-Kann-„Hinrichtungen“ aus der für uns so erfolgreich verlaufenden letzten Runde (8½ aus 9 für Aufbau).
Liebe Schachfreunde, ihr habt es tatsächlich geschafft, ganz nach unten zu scrollen. Ich hoffe, ihr habt ein Gefühl dafür bekommen, wie toll es in Leutersdorf war und wie schön es ist, zusammen in einem Open zu spielen und wie sehr es sich lohnt, Jugend und Frauen schachlich zu unterstützen.
Wenn ihr jetzt denkt: „Naja, ein bisschen könnte ich mich auch einbringen“, dann sagt sehr gern Anne oder mir Bescheid. Eine in diesem Sinne sehr nützliche Eigenschaft wurde soeben verifiziert: Durchhaltevermögen.
Wir sind natürlich auch begeistert, wenn ihr beim nächsten gemeinsamen Turnier mitfahrt: Chemnitzer Turm-Open in Glauchau. Wir haben ein Ferienhaus mit 18 Betten reserviert.